- Tanz mit dem Spiegelbild
- zum Silvesterthema "Spiegel"
- Wintersingwoche 2001/2002
Tanzen
Tanzen in einem Chor, in einem "Singkreis"? Singen - dazu gehört "rhythmisch betontes, dabei tänzerisch-leichtes und bewegtes Musizieren". Und damit sind wir schon mitten drin im Tanz: Musik in Bewegung umzusetzen, zu spüren, was die Musik mit dem Körper macht und das dann auch sichtbar zu machen. Tanzen mit anderen zusammen bedeutet auch Kommunikation mit anderen, im Paar, im Kreis oder in einer anderen Form. Tanzen mit anderen zusammen bedeutet einerseits Anerkennung der Individualität des Gegenüber und andererseits das Streben nach Gleichförmigkeit und Gleichzeitigkeit in der Gruppe.
- Zillertaler Ländler
- Sommersingwoche 2004 in Hemeln
Tanzproben haben bei unseren Treffen einen festen Platz am Vor- und am Nachmittag. Gelegenheit zu Tanzen gibt es auch zu anderen Zeiten: bei unseren gemeinsamen Abenden und darüber hinaus, in "Pausen" oder auch ganz spontan bei Ausflügen ...
Text über das Tanzen im Singkreis aus der Festschrift Erlebte MusikTanzen im Singkreis
„Wer es nicht fertig bringt, die Musik (also auch unser Singen) und den ihr innewohnenden Rhythmus mit seiner Spannung, Abspannung und Ruhe körperlich zu erleben, also innerlich mitzuschwingen vermag, der wird lediglich recht und schlecht der nüchterne, sachliche, vielleicht sogar orgel-, posaunen- oder vibraphonähnliche Erzeuger von gesprochenen Tönen sein, aber sie niemals mit echtem Leben erfüllen, was diese große und herrliche Einheit zwischen Text und Melodie unserer Volkslieder und sonstigen guten Chormusik wirklich auszusagen hat!“ So ein Zitat Fritz Stolles in einem Rundbrief-Beitrag über den Volkstanz. Fritz Hawelka (Fiffo) fährt fort: Wenn wir uns das einmal genau überlegen, dann sind wir auch schon mittendrin im Tanz. Der Ton – nicht seine Lautstärke! – macht die Musik und die Musik macht den Tanz, d. h. sie schreibt den Ablauf der Bewegung vor und erfordert also ganz das körperliche Erlebnis der Musik und der ihr innewohnenden Elemente, die wir unter dem Begriff Rhythmus zusammenfassen. Daß dabei die einzelnen Figuren und Formen in ihrer Reihenfolge und in ihrem Ablauf sich in die große Einheit „Musik und Bewegung“ einfügen, das ist das Große und immer wieder Begeisternde gerade bei den Volkstänzen.
Diese Ausführungen von 1955 fassen treffend zusammen, wie das Tanzen im Singkreis über alle Jahrzehnte hin verstanden wird: Ebenso wie beim Singen kommt es immer darauf an, daß die Musik erlebt und bewußt gemacht wird und nicht nur eine Abfolge von Schritten und Figuren bleibt. Gerade im Singkreis, der von seiner Struktur her das Zusammenspiel von Singen und Tanzen fördert, kann und muß die Verbindung immer wieder neu erprobt werden. Die eine Disziplin ergänzt und vervollkommnet die andere. Beiden kommen darüber hinaus gemeinschaftsbildende Funktionen zu.
Herbert Atmanspacher (Attila) formuliert die möglichen Aspekte des Tanzes im Singkreis wie folgt: Das Tanzen wird als angenehmer Ausgleich gesehen gegenüber der musikalischen Schwerarbeit, zumal bei schwierigeren Bereichen der Chormusik. Tanzen (wie bei dieser Betrachtungsweise auch das Singen) soll in erster Linie gemeinschaftsbildend und -pflegend wirken. Das gemeinsame Tun ist das Wesentliche. [... Vor allem] sollte Tanzen – vom Bewegungsgefühl und der darin empfundenen Ausdeutung der Musik her – zu einer Befruchtung des Singens führen und zur Harmonie zwischen Körper und Geist – mens sana in corpore sano. Und Andy Hawelka ergänzt, daß Tanzen doch mehr als nur ein loses Hopsen zur Entspannung zwischen harten Chorproben sein [sollte]. Es sollte Spaß machen, man sollte die Möglichkeit haben, neue Dinge zu lernen und sich dadurch auch tänzerisch weiterzuentwickeln.
Auch nimmt jemand, der durch das eigene Singen eine Liedmelodie erlernt, viel bewußter eine Tanzmelodie wahr, da er durch das Erlebnis „Singen“ für das Erlebnis „Tanzen“ sensibilisiert ist und umgekehrt. Das Ineinandergreifen von Tanzen und Singen ist für den Singkreis charakteristisch und eine Grundlage seiner Arbeit.
Die Vorgeschichte: Tanzen im Altsingkreis
Schon in der Iglauer Zeit hatte das Tanzen Eingang in die Aktivitäten der damaligen „Sing- und Spielschar“ gefunden. Ursprünglich stand wohl das Interesse am gemeinsamen Tun von Jungen und Mädchen im Vordergrund; die Freude am Tanzen selbst fehlte jedoch nicht. Bei verschiedenen Einsätzen in der Iglauer Sprachinsel kamen dann neben Volksliedern Iglauer Provenienz natürlich auch Iglauer Tänze (Volkstänze) wie‘s Radl und der Hatscho ins Spiel. Begleitet wurden wir dabei von den (gelegentlich etwas verstimmten) Iglauer Fiedeln, so Attila. Auch nach der Wiedergründung 1948, jetzt mit dem Namen „Iglauer Singkreis“, war das Tanzen ein wichtiger Bestandteil vieler Veranstaltungsprogramme. Das Repertoire weitete sich immer mehr aus.
Weiter berichtet Attila: Waren
zunächst Tänze aus der Iglauer Heimat, dann Tänze aus anderen
Bereichen der Heimatvertriebenen vorherrschend gewesen, so kamen nun immer mehr
Tänze aus den neuen Wohnbereichen hinzu: zunächst aus dem Hessischen,
dem Odenwald (z. B. der Lauterbacher), dann aber nach der Begegnung mit der
Württembergischen Landjugend und dem Kontakt zu Kurt Wager (zuständig
für Volkstumsarbeit im Württembergischen Kultusministerium) die
Ausweitung hin zu den dort als Standard geltenden
„Grundtänzen“ (Polonaise, Spinnradl, Kreuzpolka bis zum Windmüller
und dem Viertourigen m. d. Stoß). Die Begegnung mit dieser
„Schwäbischen Volkstanzbewegung“ begann mit der ersten
Singwoche auf Schloß Stettenfels 1950 – gleichzeitig auch der
Kontakt zur Heilbronner Landjugend, von der der Singkreis neue Anregungen
hinsichtlich Tracht und Tanz empfing.
- Webertanz
- Sommersingwoche 2004 in Hemeln
Und Fiffo schreibt: Das
Tanzen im Singkreis erhielt [...]
entscheidende Impulse durch das Wirken Kurt Wagers [...]. Was uns nicht behagte, war [sein] Tanzstil. Er widersprach unserem
Bewegungsempfinden und der Musik, wie wir sie durch Fritz Stolles Wirken im
Singkreis pflegten. Maßgebend für eine eigenständige
Entwicklung im Singkreis war vor allem die hochmusikalische Christl Schenk, die
Fritz Stolles Intentionen von Musik und Bewegung auf unser Tanzen im Singkreis
übertrug. [...] Wie wir den Tanz
im Altsingkreis pflegten, so übertrugen wir ihn auch in die Anfänge
der Nachwuchskreise Nord und Süd. Jeder, der in die Tanzleitung eingebunden
war, trug auf seine Weise in die Weiterentwicklung bei: Christl durch ihre
Erfahrungen in der Eurhythmie als Mitarbeiterin in der Walldorfschule, Attila,
der in der Wagerschen Schule viel gelernt hatte, und Fiffo als Lehrer für
musische Erziehung in der Heimvolksschule Goslar [...]. Auch noch andere
Singkreisler brachten aus der Tätigkeit ihres
musischen Wirkens in ihrem persönlichen Umfeld als Lehrer, Chorleiter oder
Jugendgruppenleiter ihre Erfahrungen in ihre Mitarbeit im Singkreis ein.
Repertoire und Programmatik dieser Anfangszeit prägten – bis auf wenige Ausnahmen – das Tanzen im Nachwuchskreis, im „Iglauer Singkreis Nord“, lange Zeit und zum Teil bis heute.
Repertoire und Tanzleitung
Neben einer singkreisspezifischen Zielrichtung waren es also immer auch die persönlichen Erfahrungen und das Können der Tanzleiter, die das Repertoire beeinflußten. Die Kompetenzen einzelner Singkreisler werden in den Kreis eingebracht, soweit die jeweilige Stilrichtung und Schwerpunktsetzung die musische Arbeit des Nordsingkreises unterstützen.
Nehmen wir als Beispiel das Schottisch-Tanzen, das seit Mitte der 80er Jahre immer mehr an Bedeutung gewann. Mehrere Zufälle führten zum Erfolg! Vordergründig betrachtet handelt es sich ja um eine ganz andere Stilrichtung aus einem ganz anderen Kulturkreis.
Heike und Udo Wennemuth lernten das Schottisch-Tanzen, besonders den „Monymusk“, bei einer Gruppenbegegnung des Heidelberger Sing- und Spielkreises mit der Scottish-Dance-Society Cambridge 1985 kennen und lieben. Sie waren der Meinung, diese Art des Tanzens würde auch der musischen Arbeit im Nordsingkreis dienlich sein! Aus familiären Gründen sahen sich beide jedoch nicht in der Lage, sich durch Lehrgänge etc. die nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten anzueignen, um das Schottisch-Tanzen angemessen lehren zu können.
Gleichzeitig lernte Friederike Greef (Mick) in Hamburg den Schottisch-Tanz kennen: Tanzliebe auf den ersten Schritt ergriff mich bei den schottischen Übungsabenden der Caledonian Society of Scottish Country Dances, obwohl ich mit den Worten empfangen wurde, daß man schon als Kind schottisch tanzen lernen müßte, um es zu beherrschen. Um so größer war die Überraschung, daß mir als Neuling die Schritte und Figuren gelangen. Ich war von der beherrschten und gleichzeitig raumgreifenden Art des Scottish Country Dance begeistert. Lange habe ich überlegt, ob ich dem Nordsingkreis diese Art des Tanzens zutrauen könnte. Schließlich ist es ein Unterschied, ob man als einzelne in eine funktionierende Tanzgruppe kommt und mitlernt oder [...] anderen eine neue Bewegungsart beibringen möchte.
Der gegenseitige Erfahrungsaustausch ermutigte dann die drei zum entscheidenden Schritt. Mick fährt fort: Ich glaube, Monymusk war unser erster schottischer Tanz. Es sah schon etwas anders als bei den Schotten aus, aber es ließ sich etwas daraus machen. Fortan hieß es für den Singkreis in „meinen“ Tanzproben: Ordentlich hinstellen, Grundstellung der Füße einnehmen, Grundpositionen mit dem rechten und dem linken Fuß üben, dann im Grundschritt für den Reel im Raum fortbewegen, dabei Füße im rechten Winkel halten, Zehenspitzen zuerst aufsetzen, gestreckte Beine, aufrechte Haltung, Arme locker hängen lassen und dynamisch vorwärts kommen. Für den Strathspey den Fuß betont vorsetzen, vorderes Bein strecken, mit dem anderen ins Knie gehen und aufrichten, die Füße im rechten Winkel ... anschließend Paare in Reihen aufstellen und mit englischem (schottischem) Vokabular Figuren erklären, zeigen, trocken durchgehen und dann zur Musik alles miteinander verbinden: Füße, Haltung, Schritte, Figuren ... Als sich das Chaos mit Hilfe englischer und deutscher Zurufe, kleiner Handschiebungen, Mitlaufen (Mittanzen) in einen geordneten Tanz verwandelte, konnte man Reels wie Shiftin`Bobbins, Duke of Perth, Mari`s Wedding und Round Reel of Eight entstehen sehen. Die Tanzproben empfand ich als sehr intensiv und sie erforderten viel Engagement der Tanzenden, die dafür mit Spaß und Freude belohnt wurden. Und mit dem Erfolg, daß auch Schotten mit dem Ergebnis zufrieden gewesen wären.
- Earl of Northhampton
- Sommersingwoche 2004 in Hemeln
Die Begeisterung für diese Art zu tanzen zeigt, daß dieser Tanzstil im Grunde genommen dem Tanzstil im Singkreis entgegenkam bzw. ihm entsprach. Fremd erschienen Figuren und Bewegungsabläufe nur auf den ersten Blick; bald wurde Bekanntes auf andere Art und Weise neu entdeckt, und das Schottisch-Tanzen befruchtete auch die Arbeit an den hergebrachten Tänzen.
Reichen Begeisterung und profunde Kenntnisse, um einen „neuen“ Tanzstil im Singkreis zu etablieren? Beides gehört selbstverständlich dazu. Im Fall der schottischen Tänze war es die Überzeugung, durch sie Tanzhaltung und -verständnis zu vertiefen, das Gefühl für den Raum zu entwickeln, die kontrollierte und zugleich höchst dynamische Tanzfolge für das Verhältnis von Musik und Bewegung fruchtbar zu machen.
- Mineth
- Aufführung in Stockholm
- Sommersingwoche 1978
In den Erinnerungen von Attila und Fiffo wird schon in der frühen Zeit hinsichtlich der Tanzauswahl deutlich: das Repertoire der Tänze, die im Singkreis getanzt wurden, speiste sich zum einen aus der Tradition der in Iglau getanzten Tänze – Hatscho und Radl – und zum anderen aus der Arbeit der jeweiligen Tanzleiter, die durch ihre Arbeit in anderen Gruppen die Tanz- und Stilrichtungen aus verschiedensten Regionen und Ländern einbrachten. Ebenso wurde der eigene Leistungsanspruch an den Volkstanz immer größer und das Können steigerte sich, so daß schwierigere Tänze geübt werden konnten. Aber auch der Austausch mit Fachleuten wie Kurt Wager und Prof. Wolfram oder die Teilnahme an Volkstanzkongressen vermittelten neue und bleibende Eindrücke.
Die Tanzleitung wurde bis in die 60er Jahre hinein durch Attila und Fiffo wahrgenommen. Seit Ende der 50er Jahre lag sie dann zunehmend bei Hans Lauche, der das im Singkreis Erlernte weitervermittelte und durch Erfahrungen im Wandervogel ergänzte. Neben ihm haben auch andere neue Tänze in den Singkreis – meist jedoch kaum auf Dauer – eingeführt.
- Mineth
- Aufführung in Stockholm
- Sommersingwoche 1978
Dazu Hans-Henning: Beim
Volkstanz kam es mir auf mehrere Dinge an, die ich gleichermaßen wichtig
fand:
1.
Alle Bewegungen sollten rhythmisch schwingend ohne Unterbrechung ausgeführt werden.
Es durfte keine „eckige“ Darstellung oder gar Stillstand entstehen.
Fritz Stolles Forderung „Musik ist Bewegung“ suchte ich so zu
erfüllen.
2.
Der Tanz sollte Eleganz zeigen, keinesfalls Ungeschicklichkeit oder ländliche
Deftigkeit.
3.
Das Spiel am Thema des Tanzes, z. B. Gunst, heute auch „Anmache“, oder
Zurückweisung mit Stolz oder auch Ergebenheit sollte glaubhaft
übermittelt werden – also echt sein, sichtbar sein. Dazu
gehören auch Grundthemen wie Fröhlichkeit, Übermut,
fröhliche oder ernste Feierlichkeit.
- Mineth
- Aufführung in Stockholm
- Sommersingwoche 1978
Nach Hans-Henning engagierte sich Andy Hawelka in den Tanzproben. In Traute Lindenthal hatte er eine begabte Partnerin, mit der er viele der „alten“ Tänze in intensiven Vorbereitungen vom Ablauf her neu durchdenken und neue Tänze aufgrund von Beschreibungen ausprobieren konnte. Der personelle Umbruch ab Mitte der 70er Jahre machte es notwendig, daß oft erst Grundkenntnisse und die wichtigsten Repertoiretänze vermittelt werden mußten.
Zu den „alten Singkreistänzen“ zählten nach wie vor die in den 50er Jahren durch Kurt Wager vermittelten Tänze – Auftanz (Polonaise), Offener Walzer, Rheinländer, Eins zwei drei vier, Jägermarsch, Kreuzpolka, Blümerl, Lauterbacher, Neudeutscher, Kuhländer Dreher, Bayrisch Polka, Dreh dich mal um, Menuettwalzer, Stoppgalopp, Spinnradel, Tantoli, Viertouriger mit dem Stoß, Wohlder Markttanz, Windmüller, Sonderburger (ausgenommen Hanaks und Bandltanz) –, dazu Mineth, Viertouriger mit dem Stoß, Begegnung, Kleiner Ländler, Deutsches Menuett, Menuettwalzer, Schwedentanz, Webertanz, Ostgötapolska, Västgötapolska, Zillertaler Ländler, Schwedisch-Schottisch, Schwedische Maskerade, Mädl wasch dich, Hacke Spitze, Familienwalzer, Radl und Hatscho. Neu hinzu kamen z. B. Sünnros und Hornpfiff.
Darüber hinaus prägte besonders die „Schweden-Begeisterung“ vieler Singkreisler (begründet durch die Sommersingwochen 1975, 1978, 1981 sowie die Teilnahme an Mittsommer-Feiern seit 1980) die Tanzproben. Die Art der Schweden zu tanzen wurde hier und da zum Vorbild genommen; schwedische Grundtanzformen (Hambo, Mazurka, Schottisch, Snoa), neue kleine (z. B. Långdans från Närke) und große (Daldans, Ekeby-Polska) Tänze wurden geübt.
Die intensive Kindersingkreis-Arbeit gab auch jungen Kindersingkreis-Betreuern und -Betreuerinnen Gelegenheit, Tanzproben vorzubereiten und durchzuführen und sich dabei beraten zu lassen. So konnte die Nachfolge Andys, als er 1983 nach Schweden ging, problemlos geregelt werden.
Andi Erben, Friederike Greef (beide bis Anfang der 90er Jahre) und Heike Wennemuth bildeten das neue Team; ab 1987 kam Eva Erben (verh. Schatz) hinzu. Zahlreiche neue Tänze fanden seitdem Eingang in das Repertoire. Viele – vor allem „kleine“ Tänze (die „eigentlichen“ Volkstänze) – wurden gelehrt, um zu zeigen, wie vielfältig die Grundtanzformen und der Variantenreichtum im Volkstanz sind.
Andi Erben war im Singkreis groß geworden und hatte schon als kleiner Junge getanzt; sein Schwerpunkt lag darum in der Repertoire-Arbeit.
Wie zuvor schon Andreas Feldner führte Friederike (Mick) etliche norddeutsche Tänze ein; in einem Hamburger Tanzkreis und bei Tanz(leiter)lehrgängen erhielten sie vielfältige Anregungen. Als weiterer Bereich kam dann das Schottisch-Tanzen hinzu.
Über ihre eigenen Tanzerfahrungen berichtet Heike:
Als ich zum Studieren nach Heidelberg kam,
boten sich mir zahlreiche Möglichkeiten, Tänze und Tanz kennenzulernen:
Im Sing- und Spielkreis Heidelberg, auf Volkstanzlehrgängen, der Volkstanzwoche,
Volkstanzleitertreffen und Tanzleiterausbildung der AG der Sing- und
Spielkreise Baden-Württemberg. Die in den 50er Jahren intensive
Zusammenarbeit von Fritz Stolle, Herbert Atmanspacher und Kurt Wager war noch
immer zu spüren! Etliche der leitenden Personen der
baden-württembergischen Sing- und Spielkreise hatten als Jugendliche und
junge Erwachsene an ihren Sing- und Tanzwochen teilgenommen. Auch wenn sie
selbstverständlich ihren eigenen Stil gefunden haben, waren die Grundlagen
noch zu spüren. Für mich war die Entdeckung der „Wurzeln“
der Tanzarbeit im Singkreis sehr spannend und anregend. Gerne hörte ich
auch den Erinnerungen an Singwochen unter Fritz Stolle zu, die
heraussprudelten, wenn ich meine Zugehörigkeit zum Iglauer Singkreis
erwähnte. Auch wenn ich die großen Volkstanzforscher (wie etwa
Horak, Wolfram, Hans von der Au, Oetke) nicht mehr kennenlernen konnte, so
beschäftigte ich mich wenigstens mit ihren Veröffentlichungen, um mir
theoretische Grundlagen und profunde Kenntnisse anzueignen. Tanz in seiner
ganzen Breite und Vielfalt wurde zu einem Teil meines Lebens.
Besonders beeinflußt hat mich die jahrelange Arbeit bei Margit Edelmann, Tänzerin und Tanztherapeutin. Sie führte mich zu intensiver Auseinandersetzung mit dem bei Fritz Erlerntem (u. a. Atemschulung), zur Vertiefung und Erweiterung. Hier vor allem machte ich die Erfahrung, daß Tanzen einen Teil des Gesangsunterrichts ersetzen kann! Hier hatte man viel Zeit, seinen Körperraum in der Bewegung zur Musik kennenzulernen, oder während der Atmung den Sitz der Vokale zu spüren, sie dann kommen und zu Klang werden zu lassen ...
Eva hatte gewissermaßen mit dem Laufen das Tanzen gelernt. Ihre Stärke liegt vor allem darin, Figuren und Schrittfolgen aus dem Gedächtnis stets parat zu haben und souverän vermitteln zu können. Die Erfahrungen im Schottisch-Tanz, u. a. Highland, und Barocktanz haben ihre Kompetenzen weiter erhöht.
Auf die Tanzleitung im Bereich des Schottisch-Tanzens wurde oben schon eingegangen.
Besonders gefallen haben im Singkreis auch altenglische Country Dances aus der Sammlung von John Playford. Auch hier trafen Anregungen aus verschiedenen Richtungen zusammen: Heike und Udo begegneten ihnen in Cambridge bei einer Gruppe für historischen Tanz; etwas später dann wurden durch Andreas Feldner „verdeutschte“ Fassungen beim Volkstanzlehrgang in Hobbach gelehrt. Diese „alten Kontratänze“ wurden schon in den 20er Jahren für deutsche (Volks-)Tanzkreise von Georg Götsch und Rolf Gardiner (1950 neu aufgelegt) entdeckt und deutschen Volkstanz-Gewohnheiten angepaßt. Der Tanzende werde zum Glied einer fast magischen Gruppenbewegung [...], eingespannt in sonderbare Zauberkreise, gehoben und getragen von einer schwebenden Musik (S. 7). Im Nordsingkreis orientieren wir uns an den Erkenntnissen der historischen Aufführungspraxis.
Zurückgestellt sind die Anläufe, Renaissance-Tänze einzuführen. Gerade für das Singen der „Alten Madrigale“ schien es notwendig zu sein, etwa Galliarde (An hellen Tagen, Tanzen und Springen) und Pavane zu tanzen. Doch schon allein die Tanzerfahrung des Chorleiters auf diesem Gebiet wirkte sich positiv auf das Singen dieser Lieder aus.
- Orientalischer Tanz
- Wintersingwoche 98/99,
- Vollmerz-Schlüchtern
Einige Erfahrungen schildert Sandra: In den 90er Jahren nahm ich dann selbst an einigen Tanzkursen teil. So kam ich über den Unisport zum „internationalen Volkstanz“, und [...] wurde [...] auch zunehmend damit vertraut, Tänze ohne Schritterklärungen einfach durch das Hören der Musik und durch Beobachten der Tanzleiter zu erlernen. [... Bei] Kursen mit bulgarischen Reigentänzen beeindruckte Belco Stanevs durch seine Präsenz auf der Tanzfläche und durch seine Art, allein durch Vortanzen schwierigste Schrittkombinationen zu vermitteln. Dieses Vorgehen beim Unterrichten versuchte ich dann zum Teil auch im Singkreis anzubringen. Viele waren davon jedoch irritiert, da sie es gewöhnt waren, genau gesagt zu bekommen, wie viele Schritte sie in welcher Art und wohin zurückzulegen hatten. Einigen sagten auch die ungewöhnliche Musik und die schwierigen Rhythmen nicht zu. Schließlich gelang es jedoch [...], leichte Reigentänze ohne größere Erklärungen einfach mitzutanzen. Aber auch von den schwierigeren bulgarischen Tänzen konnten Antje und ich ein paar im Singkreis einbringen. Für viele war es zudem eine Herausforderung, schwierige Schrittkombinationen auszuführen und dabei gleichzeitig auch noch Armbewegungen machen zu müssen.
- Orientalischer Tanz
- Wintersingwoche 98/99,
- Vollmerz-Schlüchtern
Lustig und zugleich anstrengend waren diese Tanzabende. Sie waren geprägt von dem Vergnügen, Neues auszuprobieren, auch wenn manche sich erst einmal überwinden mußten, ihrem Körper fremde Bewegungen zuzumuten, auf sie einzugehen und sie umzusetzen. Nicht der Etablierung eines neuen Tanzstils sondern der Horizonterweiterung dienen diese Exkursionen.
Unabhängig davon, welcher Region oder welcher Spielart ein Tanz entstammt, von großer Bedeutung ist immer wieder das Gefühl für Bewegung und die Freude, die ein Tanz oder eine Tanzart vermitteln, und der für den Singkreis typische offene, jedoch nicht unreflektierte Umgang mit Neuem. Sowohl an der Art und Weise wie an den Tänzen gearbeitet wurde und wird als auch an der Repertoirebildung zeigt sich, daß es dem Singkreis nicht auf „Volkstanzpflege“ wie in manchen regional verankerten Kreisen ankommt, sondern auf die „musikalische Bildung“, wie sie uns von Fritz Stolle vermittelt wurde.
Anmerkungen zur Tanzmusik
Auf Livemusik beim Tanzen, die eine viel größere Lebendigkeit vermittelt als die „Konserve“ – ganz abgesehen von den probentechnischen Vorteilen – , legt der Singkreis großen Wert. Immer wieder gehörtem dem Kreis zum Glück Leute mit großen musikalischen Fähigkeiten an.
Allerdings kann man nicht immer geeignete Musiker zur Hand zu haben. Und so manches Mal läßt sich ein Acht-Paar-Tanz nur inklusive der Musiker verwirklichen, oder bei bestimmten Anlässen ist der Wunsch vorhanden, daß alle Anwesenden mittanzen können.
Entscheidend ist jedoch, daß eine musikalisch gut gespielte Musik zur Verfügung steht, die das Tanzen aktiv unterstützt.
- Tanzmusik
- Wintersingwoche 2003/04
Zu letzteren gehörte sicherlich Fritz Stolle, der immer betonte, er sei kein Tänzer! Er selbst spielte bei Tanzproben (improvisierend) auf dem Klavier; später beschränkte er sich dann auf die Polonaise, vor allem die feierliche Silvesterpolonaise. (Kurios erscheint hier jedoch, daß einige – technisch leider mangelhafte – Aufnahmen von Fritzens letzten Polonaisen auch heute noch gelegentlich zur Silvesterpolonaise abgespielt werden.) Immer wieder unterbrach er Proben, forderte auf, genau auf die Musik zu hören, stand auf und verdeutlichte singend und mit Bewegung die musikalische Phrase.
Von Fritz Stolle gibt es auch viele (zumeist handschriftliche) Sätze für die Tänze des „Wager-Repertoires“, dazu Ländler, Walzer und Zwiefache (mit eigener Melodie) und weitere Sätze für unterschiedliche Besetzungen, die jeweils gezielt für den Kreis geschrieben wurden, in dem sie gebraucht und musiziert wurden (für Blockflöten, für Streicher, Bläser und Blockflöten etc.).
Die Musiker spielten grundsätzlich auswendig, auch wenn Noten vorhanden waren. Ab Mitte der 70er Jahre – als eine neue Generation die Aufgaben übernahm – lagen aber keine Notendrucke mehr vor. Unsere Musikerinnen Hildegard Feldner und Elke Vaupel spielten so, wie sie die Melodien durch Hören gelernt hatten. Hildegard schrieb dann sämtliche Melodien aus dem Gedächtnis auf, um weitere Tanzmusiker(innen), denen die Begabung des Auswendigspielen fehlte, anzulernen. Auch bespielte sie selbst Kassetten, da nicht immer Live-Musik möglich war.
Singkreisler, die zu den Tanzproben auf dem Klavier, der Geige und vor allem auf dem Akkordeon aufspielten, waren etwa am Anfang Christl Schenk – sie spielte in unnachahmlich einfühlsamer Weise (so Attila) – und Fiffo, später Hildegard Feldner (verh. Su), Elke Vaupel (verh. Mattern), Anke-Beate Stahl und Regine Johannsen sowie Stefan Schatz.
Gerade jedoch das Bestreben, den fähigen Instrumentalisten im Kreis erst das Tanzen und dann das Musizieren zum Tanz zu lehren, brachte/bringt es mit sich, daß unsere Musiker(innen), die als leidenschaftliche Tänzer und Tänzerinnen den Part des Spielenden übernehmen müssen, hin und her gerissen sind zwischen Tanz und Spiel.
Ziele der Tanzarbeit
Im Singkreis müssen folgende strukturelle Voraussetzungen berücksichtigt werden: Die Vielfalt bei der Zusammensetzung der Teilnehmer macht eine einheitliche und kontinuierliche Probenarbeit nicht immer einfach. Die Altersspanne ist sehr groß, sehr unterschiedlich die jeweilige Tanzerfahrung und die Fähigkeit, bereits Erlerntes auf den Treffen immer sogleich parat zu haben. Die einen sind immer dabei, andere wiederum nur sporadisch, die einen brauchen viel Übung, die anderen „tanzen einfach mit“ – und allen muß man gerecht werden! Hinzu kommt, daß, von Projekt-Zwischentreffen abgesehen, eigentlich nur in Singwochen Zeit für konzentrierte Probenphasen zur Verfügung steht, während bei den kurzen Zwischentreffen oftmals nur eine Wiederholung oder Vertiefung möglich ist.
Unter drei Aspekten beschrieb Udo das Singen im Singkreis. Diese Aspekte gelten ebenso für das Tanzen, sie können als gemeinsames Ziel der Probenarbeit im Singkreis gelten. Im folgenden sollen daher nur kurz einige Punkte aus diesen Bereichen angesprochen werden:
Tanzen als Gemeinschaftsbildung
Um die Gleichzeitigkeit der Bewegung im Raum zu erreichen, ist Einheitlichkeit und Genauigkeit im Gesamtablauf gefordert. So muß z. B. nicht nur klar sein, zu welchem Zeitpunkt eine Bewegung begonnen wird, sondern auch Schrittlängen müssen aufeinander abgestimmt werden. Jeder muß auf jeden achten, auf den Partner, die Partnerin, die Nachbarpaare, auf die jeweilige Gruppe und auf den gesamten Kreis. Jeder muß sensibel sein, muß die anderen spüren, nach ihnen schauen und sich ihnen angleichen. Bei einigen Gattungen, etwa den Kontratänzen, bestimmt das erste Paar den Verlauf, bei anderen, wie den Kreistänzen, sind alle gleichberechtigt. Doch darf es nicht um eine stur zählende und messende „antrainierte“ Gleichzeitigkeit gehen. Nur wenn jeder mit den ihm angemessenen Bewegungen tanzt, kann er überzeugend und mit Ausstrahlung tanzen, nur dann ergibt sich – in Abstimmung mit den anderen – ein schönes Bild der Einheit. Im schottischen Tanz faßt der Begriff „Phrasing“ diese Gleichzeitigkeit der Tänzer untereinander und die Abstimmung mit der Musik zusammen. Es ist deshalb sehr wichtig, mit „allen Sinnen“ zu tanzen – nur so ist eine Einheit möglich.
Geselliges Tanzen spielt bei unseren Feiern, in den Abendprogrammen oder auch danach eine wesentliche Rolle; auf Wiesen oder Parkplätzen findet es ad hoc statt (mangels Instrumentarium formiert sich dann auch mal eine singende „Kapelle“). Rundtänze, Tanzspiele (Würfel- und Besentanz etc.), Polonaisen, Sternpolka, Jägerneuner, „Hits“ (wie jüngst etwa der Kegel) und viele andere „Repertoire-Tänze“ oder auch leicht zu lernende neue Tänze haben bei diesem „geselligen“ Tanzen ihren Platz.
Ein Auftritt steht hin und wieder einmal auf dem Programm. Es ist nicht Ziel der Arbeit, etwas vordergründig „publikumswirksam“ vorführen zu können, auch wenn notwendige Absprachen bezüglich der Choreographie geklärt oder bestimmte Paare festgelegt werden. Da Tanz vor Publikum auch immer die Präsentation der Gruppe nach außen einschließt, kann eine solche Veranstaltung einen Motivationsschub für die Gruppe bedeuten.
Tanzen als musikalische Bildung
Musikalische Bildung und Ausbildung erfüllt sich primär durch die konkrete Arbeit an den Stücken. Repertoire meint die Stücke (oder Tänze), die uns als „wesensmäßig“ zugehörig empfunden werden. Damit ist die Musik angesprochen, mit der wir uns identifizieren, so Udo. Auf unser Repertoire, die Kontinuität, den Wandel und die Erweiterung, gingen wir oben ein. Ebenso wie das Erbe Fritz Stolles das Singen bestimmt, soll es auch für das Tanzen fruchtbar werden.
Nach Wegen, wie diese selbstgestellte Forderung verwirklicht werden kann, muß immer wieder gesucht werden. Welche Möglichkeiten es gibt, mag aus einem Brief Udos und Heikes über das geplante Projekt-Wochenende „Atmung – Körpererfahrung – Bewegungsgestaltung – Tanzerfahrung“ mit der Referentin Margit Edelmann deutlich werden:
Bereits in der
Atemübung soll einerseits das Element der Ruhe und Entspannung gespürt
werden, gleichzeitig aber auch der Impuls für neue Bewegung. Mit der
Atmung und einer koordinierten, bewußten Bewegung unmittelbar zusammen
hängt die Körperhaltung. Eine intensive Körperarbeit ist daher
wesentlicher Bestandteil des Projektes. Es geht darum, den eigenen Körper
als Ganzes und in seinen Teilen zu erfahren und den eigenen Schwerpunkt
(Mittelpunkt, die „Pendelaufhängung“) zu erspüren. Daran
an schließen sich Formen der Erprobung und Wahrnehmung von
Bewegungsmöglichkeiten des eigenen Körpers, unterschiedliche
Bewegungsqualitäten in Raum und Zeit zu erfahren, die unmittelbar in
Ausdruck und Tanz einmünden. Schließlich ergibt sich aus der
Koordination verschiedener Vorgänge der Atmung, Körperhaltung und
Bewegung auch ein neues und intensives Verhältnis zu Ton und Klang.
[...] Grundvoraussetzung
„lebendiger Musik“ ist die Bewegung, sind dynamische Qualitäten
in dem Gegenpol von Spannung und Entspannung. Praktisch muß sich dies
körperlich erfahren lassen. Der Körper ist Klangraum und
Bewegungsapparat zugleich. Wichtigstes „Steuerorgan“ ist dabei die
Atmung.
Atmung und Bewegung
gehörten zu den wichtigsten musikpädagogischen Erkenntnissen, die F.
Stolle im Singkreis etwa seit Mitte der 50er Jahre nach seiner intensiven Begegnung
mit der Atemschule Schlaffhorst-Andersens in Rotenburg/Fulda zu verwirklichen
suchte. Seine Musikauffassung wie seine praktische Chorarbeit nahm ihren Ausgang
und fand ihr Ziel in der Formel Atmung und Bewegung. Im Tanz sah er eine
brauchbare Möglichkeit, Zusammenhänge von Musik und Bewegung
erfahrbar zu machen. [...] Das Fehlen
der Arbeit Fritz Stolles selbst läßt [...] mehr und mehr schmerzliche Lücken erkennen; vieles geriet in
Vergessenheit, bei anderen Dingen tat sich erst jetzt in anderen
Zusammenhängen so etwas wie Verstehen und Begreifen auf. Dort wo die
alltägliche Anregung und Auseinandersetzung mit diesen Dingen fehlt,
machen sich in der Praxis leicht Gewöhnung, Oberflächlichkeit,
schließlich Ablegen mancher „guten“ Eigenschaft bemerkbar.
Das alles ließ es angeraten erscheinen, wieder einmal und in Zukunft
regelmäßig die Grundprobleme unserer Arbeit unter fachkundiger
Leitung gründlich neu und wieder zu entdecken und zu erarbeiten, damit sie
zu einem selbstverständlichen Gut unserer
„Körpererfahrung“ werden können. Es gilt, Fehler zu
korrigieren und neue Techniken und Übungen kennenzulernen, die dem Ziel
der Körpererfahrung durch Atmung und Bewegung und dem Eingehen in Tanz und
Gesang näherführen.
Als Übungen zum Tanzen sind die gleichen wie auch zum Singen geeignet: Körperhaltung (Aufrichten des Körpers), ins Schwingen kommen, Atemfluß, in Bewegung kommen, Schreiten – so bestätigt auch durch die Sängerin Mechthild Seitz, die uns bei einem Projektwochenende mit ihr auch bei den Tanzproben zusah. So wird bei den Tanzproben immer wieder eine grundlegende aufrechte Körper- und Armhaltung erinnert, die für alle Tanzrichtungen maßgebend ist.
Um das Körpergefühl und den Umgang mit dem Tanzpartner zu schulen, sind auch Partner-Gleichgewichtsübungen, oder das Führen eines „blinden“ Partners durch den Raum Probenbestandteil. Sinn und Zweck ist es, die Sinne für das Miteinandertanzen zu sensibilisieren und flexibel auf die Bewegungen reagieren zu können. Wenn dies erreicht ist, können die Tanzfiguren flüssig und fließend ausgeführt werden und es entsteht ein harmonisches Ganzes. Die Sensibilisierung wirkt sich dann auch in der Kommunikation mit den Mitsingenden und den Chorleiter aus.
Tanzen als Persönlichkeitsbildung
Tanzarbeit mit einer derart vielfältig zusammengesetzten Gruppe bedeutet Körperarbeit in einem generationenübergreifenden Kreis. Da gibt es Jugendliche, die gerade ihr kindliches Körpergefühl verloren haben und auf der Suche nach einer „neuen“ Stimme und einem „neuen“ Körper sind. Ihr Eigenes muß – wie auch die Persönlichkeit – wachsen, sich bilden. Andererseits sind da Erwachsene, die „eingefahren“ sind in ihren Bewegungen und oft ebenfalls ihren Körper wiederfinden müssen. Beides erfordert Behutsamkeit und braucht Zeit.
Beim Tanz wird jeder als Einzelner wahrgenommen; die Möglichkeit sich zu verstecken, gibt es nicht. Es kostet manchem Überwindung, in dieser Hinsicht als „Solist“ zu agieren und nicht nur seine Stärken zu zeigen, sondern auch seine Schwächen bloß legen zu müssen. Derartige Erfahrungen und auch, daß durch Übung Defizite ausgeglichen werden können, wirken auch positiv in andere Lebensbereiche hinein.
Es gibt manchmal Hemmungen, eine(n) andere(n) anzuschauen und/ oder zu berühren; das andere Geschlecht, der Altersunterschied oder die (noch bestehende) Fremdheit können verunsichern. Kontaktaufnahme zum anderen ist jedoch unumgänglich, nicht nur beim Tanz. Gerade hier wird nun ein Rahmen geboten, in dem Umgangsformen (Blickkontakt, Körperkontakt) gefordert, geregelt und darum erleichtert werden. Die Basis hierfür ist die Vertrautheit, die im Singkreis herrscht. Man erfährt, daß es gut tut, sich zu berühren und einander zuzulächeln. Man spürt, wie die Spannung, die durch die Alltagslast aufgebaut wurde, abgestreift wird, wie eine neue beziehungsreiche Spannung entsteht, die freimacht zum Atmen.
Zur Persönlichkeitsbildung gehört auch, sich bewußt zu sein, wann und wie Menschen geführt werden müssen, wann und wo sie Unterstützung brauchen. Man lernt, welche Signale, die ja auch verständlich sein müssen, gegeben werden müssen. Im selben Sinne gilt das für das Geführtwerden. Die festgelegten Rollen beim Tanz zwingen gegebenenfalls, seine eigene „Alltagsrolle“ aufzugeben und Führung zu übernehmen oder abzugeben.
Trotz aller Formen: Letztlich stellt man beim Tanzen immer seine eigene Persönlichkeit dar, hat unter Beachtung der Regeln die Freiheit zur Improvisation und die Möglichkeit zur Interpretation. Tanz ist so immer auch Darstellung der eigenen Persönlichkeit in einem selbst gesteckten Rahmen.
Die Ästhetik des Tanzens im Singkreis strebt nach einem Ausgleich von Gleichklang und Individualität oder Temperament. Körper und Sinne werden gleichermaßen angesprochen und gefordert, Musik in ihrem Rhythmus zu erleben und Bewegung als Ausdruck des Atmens und des seelischen Schwingens zu empfinden. Die Konstellation von Singen und Tanzen im Singkreis fördert dieses Miteinander der Sinne, der eigenen Wahrnehmung und auch die Wahrnehmung der anderen.
Antje Wennemuth und Heike Wennemuth
Quellen: Herbert
Atmanspacher: Volkstanz – heute. Vortrag (Ludwigstein 1952); Rundbrief
1955 (Fritz Hawelka: Was uns Fiffo über den Volkstanz zu sagen hat);
Korrespondenz; Erinnerungen von Herbert Atmanspacher (Attila): Zum Tanzen im
Singkreis [zu den 40er und 50er Jahren] Februar 2004, Hans-Henning Bacmeister
Oktober 2003, Friederike Bettner (geb. Greef): [zum Schottisch-Tanzen] Februar
2004, Andy Hawelka: Tanzen im Singkreis. Der Versuch eines Rückblickes zum
50jährigen Jubiläum des Iglauer Singkreises Nord [zu 1968 bis 1983)
November 2003, Fritz Hawelka (Fiffo): [zu den 40er und 50er Jahren] Februar
2004, Sandra Wennemuth Juni 2004